Frauen mit Hauben
Langsam wurde ich sicherer im Umgang mit dem Material. Details musste ich weglassen – oder zumindest reduzieren. Ein kleiner Satz Stanzeisen und ein Gummihammer erweiterten mein Werkzeug, damit konnte ich auch aufwändige Kleidungsornamente und Schmuckstücke der Renaissance-Frauen in vereinfachter Form darstellen. Dabei stieß ich bald auf Hans Holbein den Jüngeren. Besonders die Kopfbedeckungen der Frauen in seinen Gemälden faszinierten mich. Begriffe wie „Jungfern-Schapel“ konnte ich nicht einfach überlesen. Ich wollte wissen, was das genau bedeutet – und schon führte eins zum anderen.
So entstanden kleine Erklärungen, die sich schnell zu Mini-Essays auswuchsen. Dazu kam eine eigensinnig-spielerische Auseinandersetzung mit der geschriebenen Kunstgeschichte: Wie viel lässt sich überhaupt über die dargestellte Frau herausfinden – in einer männlich dominierten Kunst- und Geschichtsschreibung? Im Fall der Frauen Heinrichs VIII. natürlich viel! Recherche liegt mir, und so nahm die Sache Fahrt auf, und plötzlich war ich mittendrin in einem ganzen Kosmos von Frauen, Bildern und Geschichten.






Mit diesen beiden kleinen Texten begann ich, den Bildern Mini-Essays beizugeben – zunächst ganz nebenbei, fast wie Notizen.
Bild 5
Tetrapak-Druck, Adaption nach Hans Holbein d. J., "Anna von Kleve", 1539
Nach dem Tod von Jane Seymour, Heinrichs dritter Frau, begann die Suche nach einer neuen Ehefrau. Keine leichte Aufgabe – schließlich hatte er seine zweite Frau, Anne Boleyn, hinrichten lassen. Holbein erhielt den Auftrag, mögliche Kandidatinnen zu porträtieren. Die Wahl fiel schließlich auf Anna von Kleve. 1540 fand die Hochzeit statt. Heinrich war allerdings wenig begeistert. Nach nur einem halben Jahr wurde die Ehe annulliert. Anna durfte England nicht verlassen, überlebte jedoch Heinrich und alle seine anderen Frauen.
Bild 6
Tetrapak-Druck, Adaption nach Hans Holbein d. J., "Porträt einer Dame mit einem Eichhörnchen und einem Star", wahrscheinlich Anne Lovell, 1526
In der Pfarrkirche von East Harling, dem Sitz der Familie Lovell, findet sich das Familienwappen in Buntglas – geschmückt mit zahlreichen Eichhörnchen. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich bei der Dargestellten um Anne Lovell handelt. Wie so oft wissen wir mehr über ihren Ehemann: Er diente am Hof Heinrichs VIII. als „Esquire of the Body“ – eine Position, die zugleich Berater, Leibwächter und Kammerdiener vereinte.