Artemisia Gentileschi (1593 - 1654)
Tetrapak-Druck, 8 × 6 cm, Adaption, A. Gentileschi,
Selbstporträt als Märtyrerin, ca. 1615 —
Artemisia wuchs in einer Künstlerfamilie auf. Ihr Vater, Orazio Gentileschi, war Maler und erkannte früh ihr Talent. Sie wurde gefördert, stand Modell und erhielt Unterricht bei ihm. 1605 starb ihre Mutter. Um die neu belebte Kunst der Perspektive zu erlernen, wurde Artemisia zu Orazios Freund und Malerkollegen Agostino Tassi geschickt. Mit ihm begann das Unglück. Er gab vor, sie heiraten zu wollen, hatte Sex mit ihr, vergewaltigte sie vermutlich – heiratete sie aber nicht. Man ging davon aus, er sei bereits verheiratet.
Orazio klagte Tassi an. Die Folgen für Artemisia waren verheerend. Sie musste ihre Aussage unter Folter – mit Daumenschrauben – bestätigen. Zusätzlich wurde sie untersucht, um festzustellen, ob sie eine Prostituierte sei; genau das behauptete Tassi, um sich zu entlasten. Artemisia musste eine schmerzhafte und demütigende gynäkologische Prozedur über sich ergehen lassen, neben den Qualen der Folter. Tassi wurde schließlich verurteilt, hauptsächlich jedoch wegen Diebstahls von Gemälden. Artemisias Ruf war vorerst zerstört.
Um der Situation zu entkommen, heiratete sie einen Malerkollegen und zog mit ihm nach Florenz. Sie malte weiter – und wie! Miniaturformat war nicht ihr Bereich. Sie malte die großen Geschichten, die blutigen. In Florenz wurde sie die erste Frau, die in die Accademia dell’Arte del Disegno aufgenommen wurde. 1623 war sie so renommiert, dass sie nach Rom zurückkehren konnte.
Auf der Leinwand erzählte sie dramatische, gewaltsame Szenen – vielleicht um das Erlebte zu verarbeiten, vielleicht auch, weil starke Frauenfiguren sie einfach interessierten in einer Welt, in der Frauen kaum öffentliche Karrieren hatten. Nach ihrem Tod geriet ihr Werk in Vergessenheit und wurde erst im 20. Jahrhundert durch die feministische Kunstgeschichte wiederentdeckt.
